Impressionen aus einem Kindergarten
Luca konnte in der Kita in Bedheim schon einmal mitarbeiten. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Traumberuf Luca hat Trisomie 21 und will im Kindergarten arbeiten

11. Mai 2024, 17:57 Uhr

Luca Thein aus Hildburghausen ist 22 Jahre alt. Nach einem Praktikum im Kindergarten steht für ihn fest, dass er dort später arbeiten will. Aber das wird nicht leicht, denn Luca hat Trisomie 21.

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Luca Thein aus Hildburghausen ist 22 Jahre alt. Er sieht viel jünger aus. "Das ist bei Menschen mit Trisomie 21 ganz oft so, dass sie viel jünger geschätzt werden", sagt seine Mutter Claudia.

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Luca Thein hat Trisomie 21 und möchte in einer Kita arbeiten. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Ihr Sohn Luca steht vor einer großen Entscheidung. Im Sommer endet seine Schulzeit und dann geht es um die Frage, wo Luca einmal arbeiten soll. Menschen mit Beeinträchtigungen kommen normalerweise in geschützten Werkstätten unter. "Aber das ist überhaupt nichts für Luca", findet Claudia.

Unterhalter Luca: Gewürz-Streuer als Mikrofon

Um sich zu orientieren, hat Luca schon mehrere Praktika gemacht. "Die gingen auch immer so maximal zwei Wochen. Der Tag begann um 8 Uhr mit Arbeit und endete um 15 Uhr mit Pausen dazwischen. Aber um 11 Uhr ist seine Konzentration am Ende. Und dann übernimmt Luca die Unterhaltung. Er musste beispielsweise mal Gewürzmühlen montieren, da hat er sich dann eine Mühle geschnappt, sie sich wie ein Mikrofon vor den Mund gehalten und hat einen auf Andy Borg gemacht. Das fanden nicht alle lustig."

Impressionen aus einem Kindergarten
Mama Claudia Thein wünscht sich, dass Luca eine Arbeit findet, die ihm Freude bereitet. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Praktikum im Kindergarten

Luca braucht nach Ansicht seiner Eltern einen Job, in dem er seine unterhaltsame Ader ausleben kann. "Er braucht Abwechslung und er braucht Rhythmus. Er ist ein rhythmischer Mensch und ein unterhaltsamer Mensch. Er muss sich auch mitteilen können", so Mutter Claudia.

Die Eltern waren deshalb auf den Kindergarten in Bedheim acht Kilometer von Hildburghausen gekommen und haben dort nach einem Praktikum für Luca gefragt.

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Luca ist ein rhythmischer Mensch, sagt seine Mutter. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

"Die Eltern waren mit Luca hier und haben sich vorgestellt und sie haben ihn beschrieben als sonniges Gemüt. Und er ist ein herzensguter Mensch. Und genauso habe ich das auch erlebt, bei diesem ersten Treffen", erinnert sich Kindergartenleiterin Susanne Janny. "Und da dachte ich, das musst du jetzt einfach ausprobieren."

Allerding, gibt Janny zu, habe sie vorher noch nie Kontakt zu Menschen mit Trisomie 21 gehabt. "Ich habe mir dann erst mal jede Menge Informationen zusammengesucht und auch den Bürgermeister Heiko Bartholomäus gefragt." Denn der sei für den kommunalen Kindergarten schließlich der Dienstherr.

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Susanne Janny hat Luca sofort ins Herz geschlossen. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Bartholomäus gibt zu, "ganz schön Muffensausen" gehabt zu haben. "Ich wusste nicht, wie die Eltern das finden. Finden sie das gut, dass wir so etwas mal ausprobieren? Oder habe sie Angst, dass ihren Kindern etwas passieren könnte."

Trotz aller Sorgen hat sich der Kindergarten auf das Experiment eingelassen. Luca durfte neun Tage im Kindergarten arbeiten und er fand es toll. "Das war das erste Mal, dass er nicht sofort wieder zurück in die Schule wollte", sagt Lucas Vater Steffen.

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Lucas Vater Steffen Thein ist sehr stolz auf seinen Sohn. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Luca sei fröhlich und zufrieden wieder nach Hause gekommen. Die Eltern können sich deshalb vorstellen, dass es mit dem Job im Kindergarten etwas werden könnte.

Es gibt leider auch ein Aber

Die Kindergartenleiterin würde sich das auch sehr wünschen. "Weil Luca einfach wirklich ein sonniges Gemüt hat und viel Freude in den Kindergarten gebracht hat. Und es war auch schön zu sehen, wie die Kinder auf Luca reagiert haben", so Janny. Es gebe leider auch ein Aber. "Luca kann sich nur schlecht ausdrücken und hat vor allem im Umgang mit den Kindern seine Rolle noch nicht gefunden." Beim Spielen werde er oft selbst wieder zum Kind.

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Auch alltägliche Aufgaben wie den Abwasch übernimmt Luca gern. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Janny schätzt ein, dass der Kindergarten auf jeden Fall Unterstützung bräuchte, um Luca dauerhaft zu beschäftigten. "Er braucht schon jemanden an der Seite, der ihn anleitet. Vielleicht schafft er in ein paar Wochen viele Sachen alleine, aber erst einmal braucht er Unterstützung."

Vielleicht schafft er in ein paar Wochen viele Sachen alleine, aber erst einmal braucht er Unterstützung.

Susanne Janny Kindergartenleiterin

Lucas Klassenleiterin Elke Röhrig in der Schleusinger Lindenschule sieht das ähnlich. "Sicher bringt der Luca Freude und Sonne überall dahin, wo er gerade ist. Aber ein Arbeitsplatz bedeutet ja auch immer, dass ein Mehrwert regeneriert wird. Und da müsste man schauen, was möglich ist. Und zwar in einer nicht begleiteten Arbeit."

Integration braucht Mitstreiter

Für Schüler wie Luca gibt es zum Ende der Schulzeit eine sogenannte Berufswegekonferenz. Dabei werden die Jugendlichen psychologisch begutachtet. Danach gibt es eine Empfehlung, wo sie arbeiten können.

"Der Weg für Luca wird dann wahrscheinlich so sein, dass er erst einmal in eine Werkstatt kommt und dort den Berufsbildungsbereich durchläuft", ergänzt Schulleiterin Uta Schellenberger.

Alles, was geht, probieren wir aus, um Luca vielleicht doch in der Zukunft diese Arbeitsmöglichkeit in einem Kindergarten zu ermöglichen.

Uta Schellenberger Schulleiterin

"Wenn es erfolgreich sein soll und die Integration oder Inklusion glücken soll, dann braucht es natürlich Mitstreiter. Dort muss es jemanden geben, der sagt: Wir probieren das. Alles, was geht, probieren wir aus, um Luca vielleicht doch in der Zukunft diese Arbeitsmöglichkeit in einem Kindergarten zu ermöglichen", versichert Schellenberger.

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Bürgermeister Heiko Bartholomäus hat inzwischen schon das nächste Praktiukum bewilligt. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Luca ist noch lange nicht am Ziel, ihm aber vielleicht ein Stück nähergekommen. Im Herbst darf er noch einmal zurück in den Bedheimer Kindergarten. Bürgermeister Bartholomäus hat ein dreimonatiges Praktikum schon genehmigt.

"Es heißt immer, wir haben als gesamte Gesellschaft eine Verpflichtung, Menschen mit Behinderungen auch in unseren beruflichen Alltag zu integrieren", sagt Bartholomäus. "Am ehesten sind es doch wir Kommunen, die da mit gutem Beispiel vorangehen sollten."

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MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Mai 2024 | 19:00 Uhr

28 Kommentare

Tschingis1 vor 2 Wochen

@Rychlik
Ich besitze die Professionalität, denn ich bin seit 3 Wahlperioden eine Vetrauensperson für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen. Daher kann ich mir sehr wohl eine Meinung bilden und abschätzen, was möglich wäre.
Es geht hier um einen Menschen, der zwar eingeschränkt ist, der aber bereits im 1. Praktikum war und dem die Mitarbeiter:innen und auch der Träger des Kindergartens eine weiteres und längeres Praktikum ermöglichen möchten. Mehr noch nicht. Erst danach kann eingeschätzt werden, ob dieser Weg für Luca gangbar ist.

Frau S vor 2 Wochen

Ich habe über 40 Jahre in Kitas und anderen sozialen Bereichen gearbeitet. Dabei waren sehr oft zu Betreuende mit Behinderungen oder erhöhtem Förderbedarf.
Ich denke, dass Lucas eine Bereicherung für einige dieser Bereicherung sein könnte. Auch wenn er die Ausbildung im vollen Umfang vielleicht nicht schaffen kann, sollte man ihm die Gelegenheit bieten, in einer Kita zu arbeiten. Unter der Berücksichtigung seiner Fähigkeiten müsste sich doch eine Einrichtung finden, die sich gemeinsam im Team und ihm, Strategien erarbeitet und alle Verantwortlichkeiten im Vorfeld abklären. Mit einer Person als Integrationsbegleiter an seiner Seite kann es funktionieren. Ich glaube nicht, dass es hier darum geht, dass Lucas viel Geld verdienen will. Die Einrichtung und Bezahlung solch einer Bezahlung müssen die Verantwortlichen klären.
Ich wünsche Lucas und seiner Familie viel Erfolg beim Kampf um diesen Arbeitsplatz.

Sue-Ja vor 2 Wochen

Es geht nicht darum ihn zum Erzieher auszubilden wer kommt auf so einen Gedanken? Es geht darum das er in diesem Bereich mit unterstützen kann. Zu schauen wo liegen seine Stärken und diese nutzen. Eine Bereicherung für Kinder und wertvoll für ihn selbst.
Das hier gleich alles so abgewertet wird ist typisch für unsere Gesellschaft.
Ich hoffe das es mehr Menschen und Institutionen gibt die besonderen Menschen die Möglichkeit geben sich auszuprobieren können. Einem gesunden Menschen steht dieses Recht auch zu.
JEDER Mensch kann egal wo ein Praktikum absolvieren, warum besondere Menschen nicht?
Vielleicht gibt es ja Möglichkeiten aus denen man dann schöpfen kann.
Aber sicher ist es einfacher für viele Menschen einen Stempel drauf zu setzen und sich nicht gewissen Herausforderungen zu stellen!

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