Archivbild: Massregelvollzug, Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, Oranienburger Strasse, Wittenau, Berlin am 23.05.2013.(Quelle: picture alliance/imageBROKER/Schoening)

Berlin Chefarzt-Kündigung im Berliner Maßregelvollzug: Gesundheitsverwaltung äußert Bedauern

Stand: 20.04.2024 13:32 Uhr

Massive Probleme im Berliner Maßregelvollzug sind der grund, warum der Chefarzt seine Kündigung eingereicht hat. Die Berliner Senatsverwaltung hat sich nun zu der Kündigung geäußert.

Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit hat die überraschende Kündigung des ärztlichen Leiters im Krankenhaus des Maßregelvollzugs als "außerordentlich bedauerlich" bezeichnet.

Der Arzt hatte als Begründung für seinen Schritt vor allem Personalmangel und Überbelegung in der Einrichtung genannt. Der Senatsverwaltung für Gesundheit sei dies sehr wohl bewusst, hieß es in einer Erklärung vom Samstag.
 
"Die Probleme und Herausforderungen sind erkannt, benannt und werden konsequent in Angriff genommen", erklärte eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. "Die herrschenden Zustände führen unbenommen dessen bis auf Weiteres für alle Beteiligten immer wieder zu belastenden Situationen, für das Personal wie auch für die Patientinnen und Patienten", heißt es in der Erklärung. Die geäußerten Sorgen würden sehr ernst genommen.

Symbolbild: Maßregelvollzug in der Oranienburger Straße. (Quelle: dpa/Schoening)
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Wiederholt wurde Alarm geschlagen

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht sie als psychisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Sie verbringen dort teils mehrere Jahre. In Berlin ist der Maßregelvollzug seit Jahren überlastet und überbelegt. Beschäftigte und Verbände hatten zuletzt wiederholt Alarm geschlagen.

Archivbild: Blick auf eines der Gebäude vom Krankenhaus-Maßregelvollzug für als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank eingestufte Straftäter auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. (Quelle: dpa/Carstensen)
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Reinickendorfer Chefarzt zieht sich zurück

Am Freitag erfuhr der rbb, dass Chefarzt Sven Reiners deshalb nun gekündigt hat. "Die Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere aber die letzten zwölf Monate, haben zu Zuständen geführt, die ich in keinerlei Hinsicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren kann", begründet Reiners seine Entscheidung dem rbb. Die Unterbringung einzelner Patienten sei menschenunwürdig. Junge Ärzte in Ausbildung unter diesen Umständen dort arbeiten zu lassen, sei nicht zu verantworten.
 
Reiners hatte seit 2011 im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Reinickendorf gearbeitet und die ärztliche Leitung vor drei Jahren übernommen.

Senatsverwaltung arbeitet an Problemlösung

Nach früheren Angaben der Gesundheitsverwaltung waren Anfang Februar 626 Patientinnen und Patienten stationär in dem Krankenhaus untergebracht, obwohl planmäßig nur 549 Betten zur Verfügung stehen. Wegen des Platzmangels kamen laut Berliner Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr 20 Straftäter zunächst auf freien Fuß, in diesem Jahr kamen weitere Fälle dazu.
 
"Die Senatsgesundheitsverwaltung arbeitet intensiv daran, die angespannte Situation aufzulösen und Versäumnisse vergangener Jahre nachzuholen", heißt es in der Erklärung vom Samstag weiter. Das sei im Interesse der Beschäftigten, Patienten und nicht zuletzt auch im Interesse der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger von Berlin.

Archivbild: Blick auf eines der Gebäude vom Krankenhaus-Maßregelvollzug für als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank eingestufte Straftäter auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
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Reinickendorfer Standort im Fokus und Inbetriebnahme eines neuen Standorts

Erste dringend erforderliche räumliche und personelle Maßnahmen seien in Angriff genommen und zum Teil auch bereits umgesetzt worden. Mit "höchster Priorität" werde derzeit an der Sanierung von Gebäuden am Standort in Reinickendorf auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik gearbeitet. Das gelte auch für die Inbetriebnahme eines neuen Standortes im Kirchhainer Damm im Bezirk Tempelhof-Schöneberg und für die Besetzung offener Personalstellen.
 
Nach früheren Angaben der Gesundheitsverwaltung waren Stand Ende Januar von rund 670 Stellen im Maßregelvollzug 158 nicht besetzt.

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