Der inzwischen suspendierte Inspekteur der Polizei in Baden-Württemberg kommt zu Beginn seines Prozesses am 21. April 2023 in Stuttgart in den Gerichtssaal. Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Polizei-Affäre geht es am Montag, 12. Mai 2024, um weitere Vorwürfe gegen ihn - konkret um eine Personalentscheidung.

U-Ausschuss in BW zu Polizei-Affäre

Schwere Vorwürfe gegen freigestellten Inspekteur: Willkür bei Austausch der SEK-Spitze

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Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik

Das SEK ist die Eliteeinheit der Polizei BW. Der frühere Inspekteur der Polizei soll deren Führung willkürlich ausgetauscht und unerfahrene Beamte als neue Chefs eingesetzt haben. Im U-Ausschuss tun sich Abgründe auf.

Im Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags zur Polizei-Affäre sind weitere massive Vorwürfe gegen den vom Dienst freigestellten Inspekteur der Polizei laut geworden. Andreas R. hatte kurz nach Amtsantritt als Inspekteur der Polizei durch eine umstrittene Personalentscheidung für große Unruhe im Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei gesorgt. Der Zeuge Peter Hönle, früherer SEK-Experte, sagte am Montag in Stuttgart, der Inspekteur habe in seiner Eigenschaft als höchster Polizeibeamter damals "grundlos und willkürlich" die SEK-Führung ausgetauscht.

Zeuge: SEK-Führungskräfte wurden "beschädigt und traumatisiert"

Aufgrund von "falschen Informationen" über angeblich rechtsradikale Umtriebe beim SEK seien drei Führungskräfte "beschädigt und traumatisiert" worden, sagte Hönle, der im Auftrag des ehemaligen Innenstaatssekretärs Wilfried Klenk (CDU) Ende 2021 die Lage beim Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen untersucht hatte. Er gehe davon aus, dass der Inspekteur mit Wissen von Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz gehandelt habe.

Klenk ordnete nach Erhalt des Berichts von Hönle und des langjährigen Polizeiseelsorgers Werner Knubben einen erneuten Wechsel in der Spitze des SEK an.

Atmosphärische Störungen sollen Grund für Absetzung gewesen sein

Der langjährige Polizei-Einsatzleiter berichtete den Abgeordneten, der Inspekteur habe damals dem empörten SEK-Personalrat erklärt, die abgesetzte Führung habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Stattdessen gebe es "Probleme in der Kommunikation und atmosphärische Störungen" zwischen der Führung des Präsidiums Einsatz und der dazugehörigen SEK-Spitze.

Inspekteur soll "Gesichtsverlust" befürchtet haben

Andreas R. habe gesagt, so ein "Trainerwechsel" sei ganz normal und "der Drops ist gelutscht". Auch wenn die Informationen zu rechtsradikalen Umtrieben Falschbehauptungen seien, könne er die Entscheidung nicht zurücknehmen, weil er einen "Gesichtsverlust" erleiden würde. Die neue stellvertretende Leiterin soll eine Vertraute von Andreas R. gewesen sein.

Hönle bestätigte, dass auch ihm erzählt worden sei, dass Andreas R. die Mitglieder des SEK bei einer Besprechung als "in Strampelanzügen nett aussehende Jungs" bezeichnet habe.

War SEK wegen Streitereien nur eingeschränkt einsatzfähig?

Die neue vom Inspekteur eingesetzte Kommandoführung habe keinerlei Erfahrung mit dem SEK gehabt, sagte Hönle. Dieser Vorgang sei "einmalig in der Geschichte des SEK". Diese fehlende Kompetenz hätte im Ernstfall "schwerwiegende Folgen" haben können. Das SEK komme bei Fällen von Schwerstkriminalität "als letztes Mittel" zum Einsatz.

Angesichts der fehlenden Erfahrungen der neuen Führung und des gestörten Verhältnisses zur Mannschaft sei das SEK womöglich nur eingeschränkt einsatzfähig gewesen. Das Team habe gehofft, "dass es nicht zum Offenbarungseid kommt".

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Beauftragter fand kein Anzeichen für rechtsradikale Umtriebe

Hönle erklärte auf Nachfragen von Abgeordneten, ob er Anzeichen für rechtsradikale Umtriebe beim SEK gefunden habe: "Diese Anzeichen hat es nirgendwo gegeben. Nirgends, nirgends, nirgends." Die "unhaltbaren Vorwürfe" seien ungefiltert von der Direktion des SEK an die Führung des Polizeipräsidiums Einsatz und schließlich an das Innenministerium weitergeleitet worden.

"Es ist nirgendwo begründet worden. Es liegt objektiv nichts vor", sagte Hönle. Es habe lediglich den Vorwurf der "Klassensprecher-Mentalität" gegen den früheren SEK-Leiter gegeben - der Kommandoführer sei demnach bei Kritik nur loyal zu seinem Team gewesen. Sein Stellvertreter habe bereits die Zusage gehabt, den Job zu übernehmen, sei dann aber überraschend abgelöst worden. Die Begründung dafür sei gewesen: "Mitgehangen, mitgefangen."

Klenk hatte selbst Ende 2022 im U-Ausschuss erklärt, die SEK-Beamten seien enttäuscht gewesen, dass die alte Führung vom Inspekteur der Polizei ohne nähere Begründung abgesetzt worden war. Mit der neuen Leitung seien sie nicht klargekommen. Um die Probleme im Team zu beheben, habe er die Reißleine gezogen und einen erneuten Wechsel in der SEK-Führung beschlossen.

U-Ausschuss durchleuchtet Beförderungspraxis bei Polizei

Der U-Ausschuss soll angesichts der Affäre um den freigestellten Inspekteur die Beförderungspraxis bei der Polizei durchleuchten. Andreas R. war Ende 2020 zum jüngsten Inspekteur in der Geschichte der Polizei BW berufen worden.

Eine Hauptkommissarin warf Andreas R. sexuelle Nötigung und Machtmissbrauch vor, im Prozess am Landgericht Stuttgart wurde R. jedoch von den Vorwürfen freigesprochen. Nun läuft im Innenministerium das Disziplinverfahren gegen ihn. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat den Posten des Inspekteurs der Polizei inzwischen abgeschafft. 

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