Josef Schuster
Porträt

Josef Schuster Ein Verfechter des Miteinanders

Stand: 20.03.2024 09:04 Uhr

Seine Meinung hat Gewicht: Josef Schuster ist Arzt und Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland. Heute wird er 70. Ein Blick auf sein Leben und Wirken.

Von Christoph Schneider und Pirmin Breninek, BR

Bescheiden, hilfsbereit, kompetent: Mit diesen Worten beschreiben langjährige Weggefährten aus seiner Heimatstadt Würzburg Josef Schuster. Er sei ein Mann, der das Rampenlicht nie suche, obwohl er ein gefragter Gesprächspartner sei. Nun feiert Josef Schuster seinen 70. Geburtstag.

Schuster wurde 1954 in Haifa in Israel geboren. Dorthin waren seine Eltern ausgewandert. Eigentlich kommt die Familie Schuster aus Bad Brückenau, einem kleinen Kurort in Unterfranken. Seine Großeltern führten dort unter anderem ein koscheres Hotel für jüdische Gäste.

Die Schusters waren angesehene Bürger. Doch dann kamen die Nazis an die Macht. Sie brachten Vater David und Großvater Julius zunächst ins Konzentrationslager Dachau, dann nach Buchenwald. Später wurden beide entlassen - unter der Bedingung, dass sie Deutschland verlassen. Die Familie zog nach Palästina.

1956 kehrte die Familie mit dem zwei Jahre alten Josef nach Unterfranken zurück. Ihren rechtmäßigen Besitz in Bad Brückenau erhielten sie wieder. Da es dort keine jüdische Gemeinde mehr gab, wurde das nahegelegene Würzburg die neue Heimat der Familie.

"Kollegial und hilfsbereit"

In Würzburg studierte Josef Schuster Medizin. Bis 2020 führte er eine eigene Praxis als Internist. Zusätzlich fährt er bis heute regelmäßig Einsätze als Notarzt.

"Der Josef war immer offen, kollegial und hilfsbereit, nie abgehoben oder hat sich für etwas Besonderes gehalten. Ein ganz normaler Kamerad und sehr kompetent", erinnert sich Reinhold Dietsch, der während seiner Zeit beim Bayerischen Roten Kreuz immer wieder mit Schuster zusammengearbeitet hatte. Auch an Heiligabend sei Schuster Einsätze gefahren - damit seine christlichen Kollegen den Feiertag frei haben, erinnert sich Dietsch.

Engagement für jüdische Gemeinschaft

Doch Schuster war der Beruf allein nie genug. 1998 wurde er Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken. Zuvor hatte sein Vater David die Gemeinde maßgeblich geprägt. Bis heute hat Josef Schuster das Amt in Würzburg inne. Als eines von vielen: Seit November 2014 ist er Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Im Deutschen Ethikrat sitzt er seit 2020.

Auch auf internationaler Ebene vertritt Schuster das Judentum. Seit 2014 ist er sowohl Vizepräsident des World, als auch des European Jewish Congress.

Bei all seinen nationalen und internationalen Aufgaben hat Josef Schuster nie seine Heimatstadt vergessen. "Er ist ein Kümmerer", sagt Klaus Reder, Heimatpfleger beim Bezirk Unterfranken.

Schuster habe sich nachhaltig für die jüdische Gemeinde in Würzburg und Unterfranken eingesetzt - zum Beispiel bei der Entstehung des "Shalom Europa", einem jüdischen Kultur- und Gemeindezentrum. Dieses habe sich zu einem kulturellen Mittelpunkt Würzburgs entwickelt. "Er ist das Gesicht des Judentums, das zu dieser Stadt gehört und zu ganz Unterfranken und zu ganz Deutschland", sagt Reder.

"Mit Aggressivität kommt man nicht weiter"

In der Öffentlichkeit tritt Schuster besonnen auf. Er wählt seine Worte mit Bedacht und Sorgfalt. In Würzburg schätzt ihn Oberbürgermeister Christian Schuchardt als "Streiter für die jüdische Community". Er bewundere Schusters "rhetorische Präzision".

"Als dialogfähigen und zugleich durchsetzungsstarken Verfechter der Anliegen von Jüdinnen und Juden in Bayern und in Deutschland", würdigt ihn Ludwig Spaenle, der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.

"Mit Schreien und Aggressivität kommt man nicht weiter", sagt Josef Schuster im Gespräch mit dem BR. Mit ruhigem Ton gelinge es mitunter besser, andere von den eigenen Argumenten zu überzeugen.

Auch Reinhold Dietsch, mit dem Schuster als Notarzt viele Einsätze beim Roten Kreuz gefahren ist, bestätigt: "Ich habe ihn nie gestresst erlebt. Er war immer kompetent und weiß, was er tut. Auch wenn es darum ging, Krankheitssituationen den Angehörigen zu vermitteln."

Demonstrationen als hoffnungsvolles Zeichen

In schwierigen Situationen passende Worte finden muss Schuster in seiner Rolle als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland immer wieder. Insbesondere galt das in den Wochen nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Hamas-Überfalls auf Israel.

Der Krieg in Gaza sei erschreckend, sagt Schuster. Er beobachte eine zusätzliche Verunsicherung in den jüdischen Gemeinden: durch den Überfall der Hamas, das Aufkommen rechter Parteien in Deutschland und Europa, den Antisemitismus. Letzterer sei zuletzt lauter geworden, "seit dem 7. Oktober auch von muslimischer und linksradikaler Seite".

Jüdische Einrichtungen seien mittlerweile gut geschützt. Außerhalb davon trauen sich aber viele Juden nicht mehr, sich mit jüdischen Symbolen zu zeigen, so Schuster.

Positiv überrascht zeigt er sich von der Reaktion der Zivilgesellschaft, die in den vergangenen Wochen und Monaten zu Hunderttausenden gegen Rechtsextremismus demonstriert hat. Für Schuster ein ausgesprochen hoffnungsvolles Zeichen, dass man verstanden habe, dass die Demokratie nichts Selbstverständliches sei.

Noch keine Zeit für Hobbys

Ans Aufhören denkt Schuster trotz seiner vielen Ehrenämter auch im Alter von 70 Jahren noch nicht. "Ich habe vor vier Jahren meine Praxis abgegeben, jetzt habe ich ja nur noch mein Ehrenamt, das aber fast schon eine hauptamtliche Tätigkeit ist - aber der Stress ist weniger. Zeit für Hobbys bleibt gerade nicht - und wenn, dann mal eine Reise mit meiner Frau."

Sein Wunsch zum Geburtstag? Auf der Welt solle es ein bisschen friedlicher zugehen. Außerdem wünsche er sich Gesundheit und "weiterhin ein so harmonisches Familienleben mit den Kindern und Enkeln".

Mehr über die Familie Schuster erfahren Sie in der BR-Dokumentation "Der Fall Schuster".

Primin Breninek, BR, tagesschau, 19.03.2024 17:41 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. März 2024 um 05:24 Uhr.